Wir lebten in einer Oase des Friedens


Autor:
Serie:Bayerische Landeszentrale für politische Bildung
ISBN:3937904522
Verlag:Dölling und Galitz
Jahr:2007
Seiten:144
Sonstiges Bayern
InhaltsverteichnisInhaltsverzeichnis

Vorwort

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden in Deutschland die Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte zerstört und Gewalttätigkeiten gegen jüdische Mitbürger vor den Augen aller begangen. Es ist der Zeitpunkt, an dem auch die 1926 gegründete jüdische Frauenschule in Wolfratshausen geschlossen, die Schülerinnen verjagt wurden. Heute erinnert nur noch ein Schild des Historischen Vereins an die Existenz der Schule.

Mit einer Ausstellung und auch mit diesem Buch soll die Geschichte dieser Schule in das allgemeine Bewusstsein gerückt werden, um damit auch den Reichtum jüdischen Lebens in Bayern vor 1933 zu illustrieren. Fast 60.000 Juden in 172 Gemeinden lebten damals im Freistaat, heute sind es nur noch rund 10.000 Menschen jüdischen Glaubens, und nur noch 12 Gemeinden. Damals gab es zahlreiche Synagogen, jüdische Stiftungen und eine Vielfalt jüdischer Institutionen.

Doch Zahlen bleiben abstrakt. Nur die Schilderung des Lebenswegs einzelner Menschen bringt uns die Vergangenheit näher, macht Empathie möglich. Diesem Zweck dient die Darstellung der Geschichte konkreter Institutionen wie die der jüdischen Frauenschule Wolfratshausen, aber auch des Schicksals der Menschen, die dort lebten, lernten und wirkten.

Die hier vorgelegte Publikation liegt an der Schnittstelle zwischen demokratischer Erinnerungskultur und politischer Bildung. Sie führt uns blühendes, kulturell reiches jüdisches Leben im Deutschland der Zwanziger Jahre vor Augen. Sie trägt so dazu bei, historische Aufklärung im besten Sinne zu leisten.

Dabei gelingt es auch, die Mechanismen des totalitären NS-Staates im Leben der bayerischen Marktgemeinde Wolfratshausen anschaulicher und besser begreifbar zu machen, z.B. durch die Schilderung der immer schwieriger werdenden Existenz der Schule nach 1933, insbesondere durch das Zusammenspiel von Schikanen linientreuer Behörden mit aggressiven Eigeninitiativen lokaler Parteifunktionäre.

Gute lokalgeschichtliche Darstellungen, die nicht an der Oberfläche bleiben, sondern hinter die Kulissen blicken und Hintergründe aufzeigen - und diesem Anspruch wird die vorliegende Publikation zweifellos gerecht -, sind für die politische Bildung eine enorme Bereicherung. Denn sie beschreiben eine für uns alle erfahrbare und leicht begreifbare Alltagsgeschichte, und machen dadurch sichtbar, dass Politik auf allen Ebenen stattfindet, dass sie unser Leben formt, und zeigen so auch Handlungsspielräume für verantwortungsbewusstes Engagement und Mitgestaltung auf.

Dr. Peter März Dr. Zdenek Zofka


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