München im Film


Autor:Tornow Ingo
ISBN:3886902609
Verlag:
Jahr:0
Seiten:224
Sonstiges
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Vorwort

Filme werden nicht auf dem Mond gedreht und spielen auch selten da. Ob aber ein Film von Anfang bis Ende in einem New Yorker Appartement spielt, wie Hitchcocks berühmter "Rope", oder in einem Rettungsboot mitten im Ozean, wie desselben Regisseurs "Lifeboat", es agieren nie Schauspieler in einem luftleeren Raum, einen Schauplatz haben die Filme immer. Sogar auf dem Mond spielen manche Filme, von Melies' "Reise zum Mond" über Fritz Längs "Frau im Mond" und Josef von Bakys "Münchhausen" bis zu Jerry Lewis' "Mondkalb". Außenaufnahmen aber wurden dort meines Wissens zumindest für einen Spielfilm nie gedreht. Denn seit es Außenaufnahmen beim Film gibt, also solange es den Film selbst gibt, gibt es auch real existierende Schauplätze im Film. Aber Film ist Illusion. Es ist also nicht so wichtig, an welchen Schauplätzen er gedreht ist, sondern welche er imaginiert. Auch für unsere Beschäftigung mit dem Schauplatz München im Spielfilm ist also nicht die Frage wichtig, was wo gedreht wurde,1 sondern wann und warum München als Schauplatz gewählt wurde. Dementsprechend ist es gleichgültig oder nur von sekundärem Interesse, ob ein Film ganz in Kulissen gedreht wurde und den Schauplatz nur durch Kulissen oder gemalte Prospekte imaginiert oder ihn gar nur verbal beschwört, oder ob er mit mehr oder weniger prachtvollen Außenaufnahmen mehr oder weniger prunkt.

Es gibt oder besser gab im deutschsprachigen Film etwas, das man den Wien-Film genannt hat, Filme, die in Wien spielen und ein ganz bestimmtes Lebensgefühl, fast auch eine Ideologie vermitteln, die mit dieser Stadt in Verbindung gebracht werden. Nur weil diese Filme bei aller unterschiedlichen sonstigen Gattungszugehörigkeit, von der Operette und dem Lustspiel bis zum Melodram, in dieser Hinsicht eine so große Gemeinsamkeit aufweisen und einen ganz überwiegenden Teil der in Wien spielenden Filme ausmachen, kann man von einem Wien-Film als einer Art Gattung sprechen. Etwas Derartiges gibt es sonst meines Wissens im deutschsprachigen Film nicht. Man hat schon vom St. Pauli-Film gesprochen, aber was darunter zu subsummieren ist, ist größtenteils spekulativer Schmarren, der vom verruchten Image dieses Stadtteils zehrt, aber selbst keinerlei ernstzunehmende Aussagekraft in Bezug auf diesen Stadtteil oder Hamburg selbst hat. Um von einem Berlin-Film sprechen zu können, ist das Filmschaffen, das in dieser Stadt spielt, viel zu disparat. Daß Berlin für viele Jahrzehnte im deutschen Filmschaffen für die Großstadt schlechthin steht, reicht natürlich nicht aus, um von einem Berlin-Film zu sprechen.

 


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